Eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung hat letztens das LVwG NÖ getroffen (s hier) und wichtige Klarstellungen zum zeitlichen Anwendungsbereich des B-UHG bzw zu den Handlungspflichten der zuständigen BVB getroffen (LVwG-AB-13-0195 v 29. 4. 2014).
\
Ausgangspunkt der Entscheidung ist eine Verunreinigung des Grundwasserkörpers im Bereich der Korneuburger Bucht durch ein dort ansässiges Unternehmen. Während der im Verwaltungsverfahren beigezogene Sachverständige zwar Ausführungen zum Beginn der Verunreinigung, nicht jedoch zu deren Ende machte, blieb die Frage, ob die Sache in den (zeitlichen) Anwendungsbereich des B-UHG bzw allenfalls (bei Bejahung einer unmittelbaren Anwendbarkeit) der UH-RL offen. Das LVwG NÖ erachtete aufgrund des völligen Fehlens eines diesbezüglichen Tatsachensubstrats sowie aufgrund der engen Verflechtung mit dem (laufenden) wasserrechtlichen Sanierungsverfahren die Voraussetzung der Kassation nach § 28 Abs 3 VwGVG als gegeben und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurück.
\
Wesentliche Eckpunkte der Entscheidung:
\
1.) Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 statuiert grundsätzlich ein eingliedriges Administrativverfahren mit nachgeordneter Kontrolle durch das Verwaltungsgericht, wobei es den Verwaltungsbehörden zukommt, den gesamten für die Entscheidung relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Dieses System würde völlig unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens – wenn auch nur zu einem wesentlichen Teilaspekt – vor das Verwaltungsgericht käme. Nicht nur, dass dadurch im Ergebnis der gesetzlich intendierte Instanzenzug verkürzt würde, was mit den allgemeinen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht in Einklang stünde (z.B. VwGH 29.4.2013, 2010/16/0089 m.w.N.), würde die Einrichtung der verwaltungsbehördlichen Instanz damit zur bloßen Formsache (vgl. VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; 12.9. 2013, 2013/21/0118).
\
2.) Im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des B-UHG (und allenfalls der UH-RL)] ist zu klären, ob aufgrund der festgestellten Verunreinigung des Grundwasserkörpers
\
• vom Eintritt eines Umweltschadens ab dem Inkrafttreten des B-UHG (20. Juni 2009) auszugehen ist. Trifft dies zu, ist in einem weiteren Schritt zu klären, ob seitens der Behörde alle erforderlichen Vorkehrungen oder Sanierungsmaßnahmen (wenn auch nach anderen weiter gehenden gesetzlichen Bestimmungen [§ 2 Abs. 3 B-UHG]) getroffen wurden. Geht die Behörde davon aus, ist die Umweltbeschwerde abzuweisen (Wessely, Terra incognita – Die Umweltbeschwerde, in Ennöckl/N.Raschauer/Schulev-Steindl/Wessely [Hrsg.], FS Raschauer [2013], 682; a.M. Kleewein, in Hinteregger/Kerschner [Hrsg], B UHG [2011] B-UHG § 12 Rz 6 bzw. Weber/Barbist, Bundesumwelthaftung [2009] § 11 Rz 18, die insoweit die Erlassung eines Feststellungsbescheides fordern). Andernfalls, näherhin wenn das B-UHG anderen Verwaltungsvorschriften (insb. § 31 WRG 1959 [Köhler, a.a.O.71]; Wagner, Richtlinienkonformität des B-UHG und Ausblicke, in Kerschner/Funk/Priewasser [Hrsg.], Neue Umwelthaftung [2010], 23) Kraft Spezialität vorgeht, wären allfällige derartige Verfahren nach den Bestimmungen des B-UHG weiter zu führen. Wurden sie hingegen bereits rechtskräftig abgeschlossen, bleibt im Wesentlichen nur die Möglichkeit, auf Basis des B-UHG ergänzende Maßnahmen i.S.d. §§ 6 und 7 B-UHG zu verfügen (vgl. schon UVS NÖ 15.10.2013, Senat-AB-13-0163; Wessely, a.a.O. 682; zur genannten Verzahnung und ihren verfahrensrechtlichen Konsequenzen vgl. ferner Kleewein, RdU 2007, 78).\ • allenfalls von einem Schadenseintritt zwar vor Inkrafttreten des B-UHG, aber nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist der UHRL (30. April 2007) auszugehen ist. Wenngleich Richtlinien ihrem Wesen nach grundsätzlich nicht unmittelbar anzuwenden sind, vertritt der der EuGH in stRsp., dass dann anderes gilt, wenn sie oder – wenn sie aufgrund des Gegenstandes geeignet sind, aus dem Gesamtzusammenhang der Richtlinie herausgelöst zu werden (EuGH Slg 1982, 53 [Rz 29, Becker]; Slg 1977, 113 [Rz 30; Nederlandse Ondernemingen]) – einzelne Bestimmungen derselben verspätet oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden, hinreichend bestimmt und unbedingt (vgl. etwa EuGH Slg 2008 I-06221 [Rz 36 ff; Janecek]) und es sich um den Bürger gegenüber dem Staat begünstigende Regelung handelt. Wenngleich insoweit stets betont wird, dass nicht fristgerecht oder ordnungsgemäß umgesetzte Richtlinien(-bestimmungen) dem Bürger gegenüber keine Verpflichtungen begründen können (EuGH Slg 1994, I-3325 [Rz 20; Faccini Dori]; Slg 1987, 3969/3985 [Kolpinghuis Nijmegen]; Slg 1986, 723/749 [Marshall]; Slg 1990, I-4135/467 [Marleasing]; Slg I-2000, 7535 [Rz 50; Unilever]). Dies habe auch zur Folge, dass eine Richtlinie auch dann nicht unmittelbar anwendbar sei, wenn sie einen Bürger begünstige, gleichzeitig aber einen anderen belaste (EuGH Slg 1996, I-4705 [Rz 42; Arcaro]; Slg 1987, 3969 [Rz 9; Kolpinghuis Nijmegen]). Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass der EuGH diese Rechtsprechung keinesfalls konsequent verfolgt, sondern namentlich im umweltrechtlichen Zusammenhang sukzessive auch belastende Wirkungen nicht ordnungsgemäß oder fristgerecht umgesetzter Richtlinien (-bestimmungen) (EuGH Slg 1995 I-2189 [Rz 24 ff; Großkrotzenburg]; Slg 1995, I-2189 [Rz 40; Kommission gg Deutschland]; Slg 1999, I-5613 [Rz 68 ff; WWF]; Slg 2004, I-00723 [Delena Wells]) bis hin zur materiellen Enteignung betroffener Grundstückseigentümer (EuGH Slg 2000, I-10799 [Basses Corbieres]) bejaht. Trotz entsprechender ablehnender Stellungnahmen in der Literatur (z.B. Köhler, a.a.O. 61; B.Raschauer, Öffentlich-rechtliche Umwelthaftung, in JKU Linz [Hrsg.], Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2008 [2008], 155; dies offen lassend Wagner, a.a.O.37) scheint gerade letztere Rsp. einer unmittelbaren Anwendbarkeit der UHRL das Wort zu reden (i.d.S. schon zum Umweltbeschwerderegime UVS NÖ 28.8.2012, Senat-AB-12-0150; 13.12.2013, Senat-AB-13-0307). Ob dies der Fall ist, wird die belangte Behörde erforderlichenfalls (falls der Schadenseintritt nicht ohnehin in den zeitlichen Anwendungsbereich des B-UHG fällt) zu beurteilen haben.\ • eine Herbeiführung des Umweltschadens im zeitlichen Anwendungsbereich des B-UHG bzw. der UHRL nachzuweisen ist oder sich dies nicht mehr nachweisen lässt. Insoweit erhellt aus § 2 Abs. 2 B-UHG (entspricht Art. 4 Abs. 5 UHRL), dass ein Vorgehen nach dem B UHG dann nicht in Betracht kommt, wenn es am Kausalitätsnachweis fehlt (vgl. Köhler, a.a.O. 50 f). Was in dieser Bestimmung generell auf Umweltschäden bezogen statuiert wird, muss notwendig auch gelten, wenn fraglich ist, ob ein Umweltschaden im zeitlichen Anwendungsbereich des B-UHG bzw. der UHRL eigentreten ist. Lässt sich daher der Nachweis eines Schadenseintritts im zeitlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmungen nicht erbringen, kommt ein Vorgehen nach dem B-UHG nicht in Betracht.