Der umstrittene Zeitpunkt des „Abfallendes“ ist wieder einmal Gegenstand eines aktuellen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes. Nachdem sich der VwGH in zwei Erkenntnissen vom 28. April 2011 mit dem Abfallende und dem Begriff der stofflichen Verwertung auseinander gesetzt hatte (siehe Umweltrechtsblog vom 3.6.2011), hat sich der Senat 7 auch in seiner Mai-Sitzung ausführlich mit dem Abfallende – diesmal im Zusammenhang mit der Herstellung von Recycling-Baustoffen – beschäftigt. Das aktuelle Erkenntnis bezieht sich ausdrücklich nur auf die Stammfassung des AWG und nicht auf die geltende Rechtslage (AWG idF BGBl I Nr 9/2011 sowie Abfallrahmenrichtlinie-neu). Das Abfallende bleibt daher wohl bis auf Weiteres eine „never ending story“ (vgl. Piska, RdU 2010/145, Seite 207).\ \ Die wesentlichen Aussagen des noch nicht im RIS veröffentlichten Erkenntnisses vom 26.5.2011, 2009/07/0208, lassen sich wie folgt zusammenfassen:\ \ 1. Solange keine Verordnung iSd § 5 Abs 2 AWG 2002 zur Konkretisierung des Abfallendes erlassen worden ist – was bislang nur für Komposte (BGBl II 2001/292), nicht aber für Baurestmassen der Fall ist – kann die Abfalleigenschaft im Falle der Herstellung von Recyclingbaustoffen aus Baurestmassen nur dann verloren gehen, wenn die Voraussetzungen nach § 5 Abs 1 AWG 2002 (hier: idF BGBl I 2002/102) erfüllt sind, wenn also die als „Altstoffe“ zu qualifizierenden Baurestmassen oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden.\ \ 2. Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es zur Beendigung der Abfalleigenschaft noch nicht, dass die Altstoffe die in § 5 Abs 1 AWG 2002 bezeichnete (produktähnliche Qualität aufweisen. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass die Altstoffe bzw die aus ihnen gewonnenen Stoffe tatsächlich in dieser Beschaffenheit „verwendet“ werden. Die Aufbereitung von Baurestmassen zu Recyclingbaustoffen bestimmter Qualitäten führt somit nicht das Abfallende dieser Baurestmassen herbei. Dies bewirkt erst deren unmittelbarer Einsatz als Baustoff. Lediglich der Einbau bzw die Verbauung bewirkt eine Verwendung „unmittelbar als Substitution“. Dies ist auch deshalb sachgerecht, weil Baurestmassen nach ihrer Aufbereitung nicht generell für den Wiedereinbau, also nicht für jeden Zweck, dem das ursprüngliche Material gedient hatte, eingesetzt werden können. Die Einsatzmöglichkeit hängt nämlich – wie sich aus dem gemäß § 8 Abs 1 AWG 2002 erstellten Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2006 ergibt – von der konkreten herkunfts- und kontaminationsbedingten Qualität (A+, A oder B) des jeweiligen Materials ab.\ \ 3. Aus den Urteilen des EuGH 15.06.2000, Rs C-418/97 und C-419/97, ARCO, 18.04.2002, Rs C-9/00, Palin Granit Oy und 19.06.2003, Rs C-444/00, Mayer Parry, lässt sich nicht generell ableiten, dass eine Sache die Eigenschaft als Abfall bereits dann verliere, wenn sie als Rohstoff „verwendbar“ gemacht werde und dass als maßgebliches Kriterium für den Verlust der Abfalleigenschaft die „Marktfähigkeit“ des in Rede stehenden Stoffes heranzuziehen sei.\ \ 4. Auch wenn Recyclingbaustoffe dem Bauproduktgesetz (BauPG) entsprechen, so ist zu beachten, dass § 4 Abs 2 leg cit anordnet, dass hinsichtlich der Anforderungen an Bauprodukte Rechtsvorschriften, die das Inverkehrbringen solcher Produkte aus Gründen des Gesundheitsschutzes, des Arbeitsschutzes oder des Umweltschutzes über das BauPG hinaus weitergehend einschränken oder verbieten, unberührt bleiben. Das BauPG verdrängt daher die Bestimmungen des AWG 2002 über das Ende der Abfalleigenschaft nicht.\ \ 5. Die Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle (neue Abfallrahmenrichtlinie) war bis zum 12.12.2010 und somit erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides umzusetzen. Eine unionsrechtskonforme Interpretation iS dieser RL scheidet daher für einen vorher verwirklichten Sachverhalt aus (vgl dazu etwa VwGH 29.02.2008, 2005/12/0232).\ \ Anmerkung: Die aktuelle Fassung des AWG gemäß Novelle 2010, die zwecks Umsetzung der neuen Abfallrahmenrichtlinie erlassen wurde, bestimmt hinsichtlich Verwertung in § 2 Abs 5 AWG Folgendes:\
5. „Verwertung“ (ist) jedes Verfahren, als deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der Wirtschaft in umweltgerechter Weise einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem\ a) sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder\ b) – im Falle der Vorbereitung zur Wiederverwendung – die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.\ Als Verwertung gilt die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und jede sonstige Verwertung (zB die energetische Verwertung, die Aufbereitung von Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff bestimmt sind, oder die Verfüllung) einschließlich der Vorbehandlung vor diesen Maßnahmen. Anhang 2 Teil 1 enthält eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren.\ \ 6. „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ (ist) jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Produkte sowie Bestandteile von Produkten, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wiederverwendet werden können.\ \ 7. „Recycling“ (ist) jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfallmaterialien zu Produkten, Sachen oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden. Es schließt die Aufbereitung organischer Materialien ein, aber nicht die energetische Verwertung und die Aufbereitung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder zur Verfüllung bestimmt sind.
\ Auch wenn die AWG-Novelle dem vom VwGH ausgelegten § 5 Abs 1 nur einen Satz betreffend Wiederverwendung angefügt hat, nämlich:\
„Im Falle einer Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von § 2 Abs. 5 Z 6 ist das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwertungsverfahrens erreicht“
\ so ist durch die neuen Begriffsdefinitionen und die mittlerweile gegebenenfalls unmittelbar anwendbare neue Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG nicht ausgemacht, dass der Zeitpunkt des Abfallendes in Stein gemeißelt bleibt. Dass sich der Abfallende-Zeitpunkt bei bestimmten Recyclingvorgängen auch ohne spezielle Abfallende-Verordnung gegenüber der bisherigen Rechtslage verschoben haben könnte, hat sich der VwGH ausdrücklich offen gelassen.\ \ Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die im April-Erkenntnis Zl. 2010/07/0021 vom VwGH vorgenommene Auslegung der Verwertungsanlage im Sinne der Ausnahme von der AWG-Genehmigungspflicht nach § 37 Abs 2 Z 1 AWG (siehe Umweltrechtsblog vom 3.6.2011): Werden in einer Verwertungsanlage Materialien aus Bauschutt erzeugt, die sich unmittelbar für eine bestimmte Verwendung eignen und „marktfähig“ sind, so kann nach dem VwGH durchaus der Ausnahmetatbestand für die stoffliche Verwertung\
„1. Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen“
\ erfüllt sein.\ \ Entsteht am Ende der Behandlung der Abfälle in der Anlage ein “marktfähiger Stoff” und finden die Baurestmassen nach Bearbeitung durch den Beschwerdeführer z.B. im Straßenbau, als Sand für Tennisplätze oder zur Künettenverfüllung Verwendung, so kommt der Ausnahmetatbestand des § 37 Abs 2 Z 1 AWG nach dem VwGH in Betracht. Das Erkenntnis Zl. 2010/07/0021 ist ebenso wie das Mai-Erkenntnis noch aufgrund der Rechtslage vor der AWG-Novelle 2010 ergangen. Somit schließt der VwGH offenbar nicht aus, dass eine Anlage, in der marktfähige Produkte aus Altstoffen hergestellt werden – trotz gemäß § 5 Abs 1 AWG vor dem Einbau der Recycling-Baustoffe noch nicht eingetretenem „Abfallende“ – eine stoffliche Verwertungsanlage (nach § 37 Abs 2 Z 1 oder 2 AWG ) ist.