VwGH 16. Oktober 2013 (EU 2013/0006; 2012/04/0040)
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(zum Entscheidungstext: PDF)
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Auszug von der HP des VwGH:
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Eine Nachbarin bekämpft die erteilte Generalgenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Fachmarktzentrums mit einer Gesamtnutzfläche von rund 11.500 m². Ihrer Ansicht nach wäre für dieses Projekt nicht ein Verfahren nach der Gewerbeordnung, sondern eine UVP erforderlich gewesen.
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Die Behörde verwies in dem vor dem VwGH bekämpften Genehmigungsbescheid auf den rechtskräftigen UVP?Feststellungsbescheid der Kärntner Landesregierung. Dort wurde verbindlich festgestellt, dass bezüglich des Vorhabens „Errichtung von zwei Fachmarktzentren Merkur und IC“ keine UVP nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei.
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Nach § 3 Abs. 7 dieses Gesetzes haben in diesem Feststellungsverfahren die Nachbarn keine Parteistellung. In den dem UVP?Feststellungsbescheid nachfolgenden Genehmigungsverfahren (wie hier nach der Gewerbeordnung) besteht nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bindungswirkung hinsichtlich eines die UVP?Pflicht verneinenden, rechtskräftigen Feststellungsbescheides dahingehend, dass keine UVP durchzuführen ist. Dies hat der VwGH auch aus der Sicht des Unionsrechtes nicht für bedenklich erachtet, weil die Nachbarn ihre Nachbarrechte in den einzelnen nachfolgenden (Materien?)Verfahren geltend machen können; sie können vorbringen, dass durch die Auswirkungen des Vorhabens ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihr Eigentum gefährdet werde oder sie durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt würden.
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Nunmehr hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 30. April 2009 („Mellor“), festgehalten, „dass Dritte, sich vergewissern können müssen, dass die zuständige Behörde nach den im nationalen Recht vorgesehenen Bestimmungen geprüft hat, ob eine UVP erforderlich ist. Betroffene Einzelpersonen müssen in der Lage sein, die Einhaltung dieser Prüfungspflicht, gegebenenfalls gerichtlich nachprüfen zu lassen. Diese Auffasung hat der EuGH im Urteil vom 16. Februar 2012 („Solvay“) bestätigt. In einem weiteren Urteil vom 11. April 2013 „Edwards und Pallikaropoulos“ verwies der EuGH auf das in Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (jetzt Art. 11 der Richtlinie 2011/92) vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit „einen weiten Zugang zu den Gerichten“ zu gewähren.
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Der Standpunkt der einschlägigen österreichischen Rechtsliteratur dazu ist kontroversiell: Einerseits wird die Auffassung vertreten, eine Bindungswirkung von UVP?Feststellungsbescheiden entspreche nicht (mehr) den Anforderungen der Richtlinie 85/337/EWG, da jene Parteien, die im Feststellungsverfahren keine Parteistellung haben, nicht in der Lage seien, eine rechtswidrige Unterlassung einer UVP zu bekämpfen. Für die Vereinbarkeit der Bindungswirkung wurde andererseits vorgebracht, dass die betroffenen Nachbarn bei einem negativen UVP?Feststellungsbescheid die Möglichkeit haben, im Rahmen der ihnen in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren eingeräumten Parteirechte Einwendungen zu erheben und insoweit eine „de facto?UVP“ zu erreichen.
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Um die richtige Anwendung des Unionsrechts zu gewährleisten, richtet der VwGH an den EuGH die Frage, ob das Unionsrecht einer nationalen Rechtslage entgegen steht, nach der ein Bescheid, mit dem festgestellt wird, dass bei einem bestimmten Projekt keine UVP durchzuführen ist, Bindungswirkung auch für Nachbarn, denen im vorangegangenen Feststellungsverfahren keine Parteistellung zukam, entfaltet, auch wenn die Nachbarn die Möglichkeit haben, ihre Einwendungen gegen das Vorhaben in diesen Genehmigungsverfahren zu erheben.
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Sollte der EuGH bejahen, dass diese Bindungswirkung nicht in Einklang zum Unionsrecht steht, wird ergänzend nach den Auswirkungen auf das gegenständlich Verfahren gefragt. Allenfalls wäre nämlich die Gewerbebehörde verpflichtet, zur Beurteilung ihrer eigenen Zuständigkeit auf die Einwendungen der Nachbarin gegen den UVP?Feststellungsbescheid einzugehen und aus eigenem zu beurteilen, ob das vorliegende Projekt einer UVP zu unterziehen wäre.
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Wörtlich lauten die Fragen:
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1. Steht das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.1.2012, S. 1?12 (Richtlinie 2011/92), insbesondere deren Art. 11 einer nationalen Rechtslage entgegen, nach der ein Bescheid, mit dem festgestellt wird, dass bei einem bestimmten Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, Bindungswirkung auch für Nachbarn, denen im vorangegangenen Feststellungsverfahren keine Parteistellung zukam, entfaltet, und diesen in nachfolgenden Genehmigungsverfahren entgegengehalten werden kann, auch wenn diese die Möglichkeit haben ihre Einwendungen gegen das Vorhaben in diesen Genehmigungsverfahren zu erheben (das heißt im Ausgangsverfahren dahingehend, dass durch die Auswirkungen des Vorhabens ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihr Eigentum gefährdet werden oder sie durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt werden)?
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Bei Bejahung der Frage 1:
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2. Verlangt es das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 2011/92 im Wege ihrer unmittelbaren Anwendung, die in der Frage 1 dargestellte Bindungswirkung zu verneinen?