Die Bundeskanzlerin hat bekannt gegeben, dass sie das im August kundgemachte Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat nicht in Kraft setzen will. Hintergrund ist eine, vom Verfassungsdienst in einem Gutachten bestätigte, Unionsrechtswidrigkeit beim Zustandekommen des Gesetzes. Kritik an der Vorgangsweise gibt es von der ursprünglich antragstellenden SPÖ und Umweltschutzorganisationen.
Wann ist ein Entwurf ein Entwurf
Beschlossen wurde das Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat Anfang Juli im Nationalrat auf Initiativantrag der SPÖ. Die beschlossene Novelle (BGBl I 2019/79) wurde am 31.7.2019 kund gemacht und sieht vor, dass das Inverkehrbringen von Glyphosat verboten ist. Grund für das beschlossene Verbot von Glyphosat sind laut Antrag die gesundheits- und umweltschädlichen Folgen des Pflanzenschutzmittels. Zusätzlich zu dem Verbot sieht die Novelle vor, dass diese erst in Kraft tritt, wenn sie im Einklang mit der EU RL 2015/1535 einem Notifikationsverfahren unterzogen wurde, eine dreimonatige Stillhaltefrist eingehalten wurde und keine negative Stellungnahme erfolgte. Die Bundeskanzlerin sollte die Einhaltung dieser aufschiebenden Bedingung im BGBl bestätigen und damit das Verbot in Kraft setzen.
Im Herbst entbrannte über die aufschiebende Bedingung der Novelle ein Streit, nämlich ob diese gewählte Vorgangsweise des Beschlusses einer Novelle mit der EU Richtlinie über die ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft vereinbar ist. Der EU Kommission wurde der Beschluss zur Notifikation zugestellt, diese veröffentlichte ihn zur Konsultation mit der Notifikationsnummer 2019/419/A und dem Ende der Stillhaltefrist mit 29.11.2019. Gleichzeitig rügte die Kommission, dass es sich bei einem beschlossenen und bereits kundgemachten Gesetz nicht um einen Entwurf im Sinne der Richtlinie handeln würde.
Die betroffene Richtlinie sieht in Art 5 und 6 vor, dass Mitgliedsstaaten für Vorhaben wie hier einen Entwurf an die EU Kommission übermitteln. Diese hat, gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten drei Monate Zeit, eine Stellungnahme abzugeben, die soweit wie möglich zu berücksichtigen ist. Eine Benachrichtigung an die Kommission erfolgte, ebenso wurde das Ende der Stillhaltefrist eingehalten. Und schließlich ist das Berücksichtigen von Stellungnahmen letztlich optional. Fraglich war aber nun, ob es sich um einen „Entwurf“ iSd Richtlinie handelte, wenn eine bereits beschlossene und kundgemachte Novelle übermittelt wird. Kommission und auch der österreichische Verfassungsdienst sagen: Nein.
Bundeskanzlerin zieht die Reißleine
Auf Basis des Gutachtens des Verfassungsdienstes gab nun Bundeskanzlerin Bierlein bekannt, die Feststellung des Inkrafttretens im BGBl aufgrund des Verstoßes gegen Unionsrecht nicht durchzuführen. Als weiteres Vorgehen wird die ordnungsgemäße Notifikation eines Entwurfes an die Kommission empfohlen. Der stv. Klubobmann der SPÖ gab bekannt, einen entsprechenden neuen Antrag noch im Dezember im Nationalrat einzubringen. Kritik an der Vorgangsweise gab es auch durch Umweltschutzorganisationen, die nun auf eine rasche Sanierung der Rechtslage drängen. Letzteres ist mit Blick auf die Rechtssicherheit für die Landwirtschaft auch wünschenswert.