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Peter Sander

Verweigerung des Zugangs zu Umweltinformationen in Strafverfahren

EuGH 8. 5. 2014, C-329/13, Stefan (basierend auf einer Vorlage des UVS Wien), hat Klarstellungen zur Auslegung des Art 4 UIRL und den Zugang zum Umweltinformationen getroffen.

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Gem Art 4 Abs 2 lit c UIRL 2003/4/EG (über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen) können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe ua negative Auswirkungen laufende Gerichtsverfahren und die Möglichkeiten einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten, hätte.

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Demgegenüber sieht § 6 Abs 2 Z 7 UIG eine entsprechende Ausnahme nur betreffend andere als die in § 4 Abs 2 UIG genannten Umweltinformationen vor. Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Wasser unterliegen demnach gem § 4 Abs 2 UIG dem freien Zugang.

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Im Anlassfall hatte Herr Stefan nach starken Überschwemmungen durch ein Hochwasser der Drau im November 2012 das BMLFUW aufgefordert, ihm Pegel- und Durchflussdaten der Draukraftwerke für die Zeit ab 30. 10. 2012 zu übermitteln, um Aufschluss über die Bedingungen der Entstehung des Hochwassers zu erhalten. Das BMLFUW verweigerte diese Auskunft ua mit der Begründung, dass eine Bekanntgabe dieser Informationen möglicherweise negative Auswirkungen auf das bereits eingeleitete Strafverfahren gegen einen Schleusenwart haben und ein faires Verfahren gegen ihn beeinträchtigen könnte; solange das Strafverfahren nicht abgeschlossen sei, könnten die Umweltinformationen deshalb nicht übermittelt werden.

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Im anhängigen Berufungsverfahren gelangte der angerufene UVS Wien zu der Auffassung, dass der Antrag nicht gem § 6 Abs 2 Z 7 UIG abgelehnt werden könne, weil dieser Ablehnungsgrund nicht für die begehrten Umweltinformationen iSv § 4 Abs 2 UIG gelte. Der österreichische Gesetzgeber habe somit nur beschränkt von der Ermächtigung des Art 4 Abs 2 UIRL Gebrauch gemacht. Obwohl die zuständige nationale Behörde somit dem Antrag zwingend stattgeben müsse, sei aber auch erwiesen, dass die Übermittlung der begehrten Daten negative Auswirkungen iSv Art 6 EMRK bzw Art 47 Abs 2 GRC auf das Strafverfahren des Schleusenwarts haben könnte. Der UVS setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen betreffend die Gültigkeit der RL 2003/4/EG im Hinblick auf Art 6 EUV und Art 47 Abs 2 GRC zur Vorabentscheidung vor.

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Der EuGH hat den Antrag nunmehr gem Art 99 VerfO mit Beschluss erledigt. Succus der Entscheidung:\ 1.) Die Mitgliedstaaten haben bei der Umsetzung der UIRL auch Art 47 Abs 2 GRC zu beachten und haben zu gewährleisten, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts so auszulegen ist, dass sie mit den Verträgen und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist.\ 2.) Mit der Bezugnahme auf die Möglichkeiten einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten, ermächtige Art 4 Abs 2 UAbs 1 lit c UIRL die Mitgliedstaaten gerade deshalb dazu, eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Bekanntgabe der Umweltinformationen vorzusehen, um es ihnen zu ermöglichen, gegebenenfalls das Recht auf ein faires Verfahren gem Art 47 Abs 2 GRC zu wahren. Selbst wenn aber ein Mitgliedstaat eine solche Ausnahme in der Regelung zur Umsetzung UIRL nicht vorsehe, seien alle Stellen der Mitgliedstaaten – einschließlich der Verwaltungsbehörden und der Gerichte – verpflichtet, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Einhaltung des Unionsrechts und damit in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Beachtung des durch Art 47 Abs 2 GRC gewährten Grundrechts zu gewährleisten.\ 3.) Die Prüfung der Vorlagefragen hat somit – so der EuGH – nichts ergeben, was die Gültigkeit der RL 2003/4/EG berühren könnte: Sie könne nämlich nicht dahin ausgelegt werden, dass sie es den Mitgliedstaaten gestattete, Maßnahmen zu erlassen, die mit Art 47 Abs 2 GRC oder Art 6 EUV unvereinbar sind, und sei deshalb nicht ungültig im Hinblick auf diese beiden Bestimmungen.

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Der EuGH ging im Anlassfall nicht auf die Frage ein, ob die begehrten Informationen – wie vom UVS angenommen – Umweltinformationen iSd § 4 Abs 2 UIG darstellen und ob bzw inwiefern die Herausgabe der Umweltinformationen zu einer Beeinträchtigung des Rechts auf ein faires Verfahren führen könnte.

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