Umweltorganisationen erfolgreich: LVwG hebt Otter-Entnahme-Bescheid auf
Per Beschluss hob das LVwG NÖ am 25.6.2018 den Bescheid der NÖ Landesregierung über die Genehmigung von Eingriffen in die Fischotterpopulation auf (LVwG-AV-564/001-2018, LVwG-AV-624/001-2017). Auf Wunsch der Antragstellenden war der Bescheid zur Entnahme/Tötung der Tiere mit 30.6.2018 befristet. Gegen diesen erhoben u.a. die anerkannten Umweltorganisationen WWF und ÖKOBÜRO Beschwerde.
Die Vorfrage: Parteistellung
Die Frage der Parteistellung der Umweltorganisationen wurde in einem gesonderten Verfahren abgehandelt, da die Landesregierung diese nicht zugestand. Gegen den diesbezüglichen Bescheid erhoben WWF und ÖKOBÜRO Beschwerde mit Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung der Höchstgerichte zum Thema Aarhus Konvention. Das LVwG NÖ erkannte mit Erkenntnis vom 9.4.2018 die Parteistellung an und folgte damit der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen „Braunbär 2“ (C-243/15) und „Protect“ (C-664/15). Da die ursprüngliche Bewilligung nie zugestellt wurde, erhoben in der Folge die Umweltorganisationen als übergangene Parteien unmittelbar Beschwerde gegen den Bewilligungsbescheid.
(Zur Aarhus Parteistellung auch: Blogbeitrag von Dr. Altenburger vom 16.3.2018. Zu Rechtsmitteln übergangener Parteien auch: Berl/Forster, Nachträgliche Rechtsmittel der betroffenen Öffentlichkeit, RdU-U&T 2017, 30.)
Die Beschwerden
Inhaltlich richteten sich die Beschwerden gegen mehrere Punkte:
Die Verwendung veralteter und somit ungeeigneter Datensätze zur aktuellen Otterpopulation als Ausgangswert und die damit verbundene Ungenauigkeit bei der Bewertung der aktuellen Population und welche Eingriffe diese vertragen würde.
Fehlerhafte Bestimmung der zu untersuchenden Regionen: Die Bewertung erfolgte im Wesentlichen anhand von Bundesländergrenzen, nicht jedoch anhand der in der FFH-RL vorgesehenen „biogeographischen Regionen“, welche für die Bewertung relevant sind. In NÖ befinden sich Anteile an zwei verschiedenen Regionen, der kontinentalen, bei der der Erhaltungszustand bei der Letzterhebung „günstig“ war, und der alpinen, bei der der Zustand „ungünstig“ war.
Die Populationen angrenzender Bundesländer und Staaten wurden bei der Erstellung des Bescheides außer Acht gelassen, auch wenn diese miteinander kommunizieren, also wandern.
Die Voraussetzungen für Eingriffe nach dem NÖ Naturschutzgesetz liegen nicht vor; (mangelnde Alternativenprüfung, kein öffentliches Interesse) und eine Naturverträglichkeitsprüfung wurde trotz der Einflüsse auf Europaschutzgebiete unterlassen.
Schließlich, dass die Tötungen nicht dem Tierärztevorbehalt des Tierschutzgesetzes entsprechen und das Monitoring mangelhaft war.
Die Entscheidung: Aufhebung und Zurückverweisung
Das LVwG führte eine mündliche Verhandlung zur Erörterung der Beschwerdevorbringen durch, die Entscheidung zur Aufhebung und Zurückverweisung begründet das Gericht damit, dass das Ermittlungsverfahren durch die Erstbehörde deutlich mangelhaft geführt wurde. Mit Verweis auf die vom VwGH sehr strenge Auslegung des § 28 Abs 2 und 3 VwGVG (VwGH 22.6.2017, Ra 2017/20/0011, VwGH 26.6.2014. Ro 2014/03/0063) legt das LVwG dar, dass aufgrund glaubhaft gemachter Mängel im Ermittlungsverfahren und auch durch die Nicht-Einbindung von Umweltorganisationen das Verfahren derart „krass“ mangelhaft erfolgte, dass es weder zeiteffizienter noch kostensparender wäre, als VwG diese Schritte nachzuholen. Daher hob das LVwG schließlich den Bescheid auf und verwies zurück an die Erstbehörde.
Auswirkungen
Im konkreten Fall sind die rechtlichen und praktischen Auswirkungen klein, da die Befristung des Bescheides sonst ohnehin bereits abgelaufen wäre. Deutlich relevanter ist jedoch das Zeichen, das das LVwG mit dem Erkenntnis setzt: anerkannte Umweltorganisationen sind effektiv zu beteiligen, auch wenn das Naturschutzgesetz Niederösterreichs, so wie jene der anderen Bundesländer, derzeit noch keine Parteistellung vorsieht. In künftigen Verfahren zur Genehmigung von Eingriffen in den Naturschutz, etwa durch Entnahmen/Abschüsse und dort vor allem mit potentiellen mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen auf Schutzgebiete, ist daher mit einer solchen Beteiligung zu rechnen. Dies wird angesichts der Entscheidung „Ökobüro – Salzburg Luft“ (VwGH 19. 2. 2018, Ra 2015/07/0074-6) wohl auch dann der Fall sein müssen, wenn Ausnahmegenehmigungen durch Verordnungen erfolgen. Rechtsschutz ist auch dort zu gewähren. Es bleibt abzuwarten, ob das Erkenntnis des LVwG in den Prozess zur Umsetzung der Rechtsschutzaspekte der Aarhus Konvention in die Naturschutzgesetze der Länder einfließen wird.