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Peter Sander

Liegenschaftseigentümerhaftung: Rechtsnachfolger des Verursachers bleibt haftungsfrei!

Jüngst (die Rechtssatzauswertung ist noch nicht abgeschlossen) hat sich der 7. Senat des VwGH grundlegend mit der Haftung des Liegenschaftseigentümers nach § 74 AWG 2002 auseinandergesetzt (VwGH 2009/07/0118). Gleich vorweg: Für den Verpflichteten nach § 73 AWG 2002 wird es in Zukunft – vorausgesetzt er ist eine juristische Person – wesentlich leichter, sich aus der Haftung zu befreien, für den Liegenschaftseigentümer und seine(n) Rechtsnachfolger gilt genau das Gegenteil. Und Grund dafür ist „überraschender Weise“ der Gesetzeswortlaut.\ \ Aber im Einzelnen genauer: Im Ausgangssachverhalt sind von einer Tankstelle vor 1990 gefährliche Abfälle in den Boden eingedrungen. Der Betreiber der Tankstelle und Verursacher/Verpflichtete (eine Gesellschaft) ist mehrfach verschmolzen, umgewandelt und gespalten worden und hat sich zum Zeitpunkt der Erteilung des abfallrechtlichen Behandlungsuftrages im Stadium der Liquidation befunden. Der Liegenschaftseigentümer, an den schlussendlich der bekämpfte Behandlungsauftrag nach § 74 AWG 2002 ergangen ist, war noch vor 1990 Miteigentümer der betroffenen (kontaminierten) Liegenschaft, ab 2006 Alleineigentümer. Seine Beschwerde gegen den Behandlungsauftrag war schlussendlich erfolglos, beachtenswert ist allerdings die Begründung des Gerichtshofes dazu, die sich strikt am Wortlauf des Gesetzes orientiert und – zumindest für den Bereich des AWG 2002, wohl aber auch für jenen des WRG – für einer gewissen Dogmatik verpflichtete Rechtsanwender bestechend simpel ein meiner Meinung nach richtiges Ergebnis mit sich bringt: Während nämlich § 74 AWG 2002 den Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers als gleichsam drittes Glied in der Kette der Haftungssubjekte (nach dem „Verpflichteten“ und dem Liegenschaftseigentümer) kennt, ist § 73 AWG 2002 eine „Rechtsnachfolgerregelung“ fremd. Der Gerichtshof führt wörtlich folgendes dazu aus (Hervorhebungen durch den Verfasser):\ \ Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Heranziehung als Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers mit der Begründung, es seien noch Rechtsnachfolger des/der Verursacher vorhanden; deren Haftung gehe der Haftung des Rechtsnachfolgers des Liegenschaftseigentümers vor.\ \ Ob eine Rechtsnachfolge in Rechte und Pflichten, die ihre Grundlage im öffentlichen Recht haben, stattfindet, ist jeweils anhand jener Vorschriften zu ermitteln, welche die öffentlichrechtlichen Rechte und Pflichten, um deren Übergang im Weg einer Rechtsnachfolge es geht, statuieren. Eine solche Rechtsnachfolge muss nicht zwingend ausdrücklich vorgesehen sein; sie kann sich aus einer Zusammenschau der jeweiligen öffentlich-rechtlichen Norm mit Bestimmungen des Zivilrechts ergeben. Von einer solchen Rechtsnachfolge wird insbesondere dann auszugehen sein, wenn die öffentlich-rechtliche Norm sie zwar nicht ausdrücklich anordnet, aber erkennbar darauf aufbaut oder wenn die öffentlich rechtliche Norm ohne eine solche Rechtsnachfolge nicht sinnvoll und vollständig wäre.\ \ § 73 AWG 2002 spricht vom ‚Verpflichteten‘. An ihn ist der Behandlungsauftrag zu erteilen. Für ihn besteht aber auch bereits vorher die Pflicht, den gesetzwidrigen Zustand zu beseitigen. Es liegt daher auch schon vor der Erlassung des Behandlungsauftrages eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung vor.\ \ Den Ausdruck ‚Verpflichteter‘ verwendete auch die Vorgängerbestimmung des § 73 AWG 2002, § 32 AWG 1990. Als ‚Verpflichteten‘ sah die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes denjenigen an, der einen der Tatbestände des § 32 Abs. 1 AWG 1990 verwirklicht hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, Zl. 95/07/0113, VwSlg. 14.353/A).\ \ Zu § 73 AWG 2002 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass als Verpflichteter eines Behandlungsbeauftrages jedenfalls derjenige anzusehen ist, der eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 zu verantworten hat sowie derjenige, der Abfälle entgegen dem § 15 Abs. 3 AWG 2002 sammelt, lagert oder behandelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2006, Zl. 2005/07/0173, VwSlg. 16.871/A).\ \ § 73 AWG 2002 hat demnach den Verursacher eines gesetzwidrigen Zustandes im Auge. § 74 Abs. 1 AWG 2002 knüpft an diesen Begriff des Verpflichteten an: Wenn der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, zur Erfüllung des Auftrages rechtlich nicht imstande ist oder aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden kann, so ist der Auftrag dem Eigentümer der Liegenschaft zu erteilen, auf der sich die Abfälle befinden.\ \ Aus den §§ 73 und 74 AWG 2002 ergibt sich daher, dass unmittelbar nach dem Verursacher der Liegenschaftseigentümer der Zweite in der Kette der Haftenden sein soll.\ \ Daraus folgt aber, dass eine Rechtsnachfolge in die Verursacherposition in öffentlich-rechtlicher Hinsicht, die einen Behandlungsauftrag an den Rechtsnachfolger des Verursachers erlauben würde, nicht vorgesehen ist.\ \ Das steht auch mit der Rechtsprechung des OGH zu der mit § 74 AWG 2002 vergleichbaren Bestimmung des § 31 WRG 1959 im Einklang:\ \ In seinem Beschluss vom 27. August 1997, 1 Ob 72/97p, hat der OGH ausgesprochen, dass die primäre Haftung auf dem Boden des § 31 Abs. 2 und 3 WRG 1959 – anders als bei der als subsidiär beurteilten Haftung des Liegenschaftseigentümers, die auch unter bestimmten Voraussetzungen dessen Rechtsnachfolger zur Last fallen kann (§ 31 Abs. 4 zweiter Satz WRG 1959) – nicht auch den oder die Rechtsnachfolge des Verursachers trifft. Eine Haftung des Beschwerdeführers scheidet daher nicht deswegen aus, weil noch auf Rechtsnachfolger des Verursachers gegriffen werden könnte.\ \ § 74 Abs. 1 AWG 2002 nennt in der Kette der Haftungspflichtigen an zweiter Stelle nach dem Verursacher (Verpflichteter nach § 73 Abs. 1 AWG 2002) den Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden; § 74 Abs. 2 AWG 2002 erweitert die Haftungskette auf die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers als dritte (und weitere) Glieder in der Haftungskette. Liegenschaftseigentümer ist derjenige, dem die Liegenschaft zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses gehörte.\ \ Die Bodenkontaminierung stammt nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid aus der Zeit vor 1985. Wie der Begründung des angefochtenen Bescheides weiters zu entnehmen ist, erwarb der Beschwerdeführer 1987, also nach der Kontaminierung, ‚Teile‘ der Liegenschaft und wurde 2006 deren Alleineigentümer. Er kommt daher nicht für eine Haftung als Liegenschaftseigentümer, sondern nur als Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers in Betracht, was deswegen von Bedeutung ist, weil für die Haftung des Rechtsnachfolgers des Liegenschaftseigentümers andere Voraussetzungen gelten als für jene des Liegenschaftseigentümers.\ \ In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, ob die Haftung des Rechtsnachfolgers eine vom Liegenschaftseigentümer abgeleitete ist, mit anderen Worten, ob der Rechtsnachfolger nur dann haftet, wenn beim Liegenschaftseigentümer alle für dessen Haftung vorgesehenen Voraussetzungen gegeben waren. Das ist zu verneinen [Dies wird in weiterer Folge mit den EBRV 984 dBNR 21. GP, 104, untermauert, darauf hingewiesen, dass die Haftung des Rechtsnachfolgers eine originäre ist, und auch festgehalten, dass nicht untersucht werden muss, ob dies auch für die Bestimmungen des WRG zur Liegenschaftseigentümerhaftung gelten muss.].\ \ Die Kontaminationen stammen aus der Zeit vor dem 1. Juli 1990. Für Ablagerungen aus dieser Zeit enthält § 74 Abs. 3 AWG 2002 Sonderbestimmungen für die Haftung. Es stellt sich daher die Frage, ob die Haftungsbeschränkungen des § 74 Abs. 3 AWG 2002 auch dem Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers zugute kommen.\ \ § 74 Abs. 3 AWG 2002 enthält eine von Abs. 2 abweichende Sonderregelung nur für den ursprünglichen Liegenschaftseigentümer, nicht aber für den Rechtsnachfolger, ordnet aber im Übrigen uneingeschränkt die Geltung des Abs. 2, also auch von dessen Bestimmungen über die Haftung des Rechtsnachfolgers des Liegenschaftseigentümers, an. Die Haftungsbeschränkung des ursprünglichen Liegenschaftseigentümers ist untrennbar daran gekoppelt, dass er durch die Gestattung von Anlagen etc. einen Vorteil gezogen hat (arg.: ‚daraus‘). Da für den Rechtsnachfolger die Gestattung keine Haftungsvoraussetzung ist, kommt für ihn auch diese Koppelung von Gestattung und daraus gezogenem Vorteil nicht in Betracht. Der Rechtsnachfolger haftet daher, wenn er von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben musste. Hingegen ist es keine Voraussetzung für die Haftung des Rechtsnachfolgers, dass er einen Vorteil im Sinne des Abs. 3 erlangt hat. Seine Haftung ist auch nicht beschränkt. Dies gilt jedenfalls im Fall eines Liegenschaftserwerbes nach dem 1. Juli 1990. […]\ \ Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer und HH 1987 ‚Teile‘ der Liegenschaft EZ 102 erworben haben. Aus einem im Akt erliegenden Grundbuchsauszug geht hervor, dass es sich dabei nicht um ‚Teile‘ im Sinne von Grundstücken oder Grundstücksteilen der EZ, sondern um Anteile (Miteigentum) handelt. Der Beschwerdeführer wurde 1987 zu 1/4, HH zu 3/4 Miteigentümerin. […]\ \ Damit stellt sich die Frage, ob es einen Unterschied macht, ob auf den Erwerb des 1/4-Anteiles im Jahre 1987 die Haftungsbestimmungen des AWG 2002 anzuwenden sind oder nicht. Dies ist zu verneinen. Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe. Entscheidend ist, dass auch nach dem 1. Juli 1990, nämlich im Jahr 2006, ein Eigentumserwerb (Erwerb von weiteren Anteilen) an der Liegenschaft durch den Beschwerdeführer stattgefunden hat.\ \ Wie bereits dargestellt, ist die Haftung des Rechtsnachfolgers des Liegenschaftseigentümers eine originäre, nicht vom Liegenschaftseigentümer abgeleitete. Das Gleiche muss auch für die weiteren Erwerber in der Haftungskette in Bezug auf ihre (mittelbaren und unmittelbaren Vorgänger) gelten. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf den Erwerb der übrigen Anteile […] im Jahr 2006 als Rechtsnachfolger anzusehen ist und nach den dafür geltenden Regeln haftet, dh wenn er von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben musste. Eine ‚Aliquotierung‘ der Haftung kommt nicht in Frage. Das wird sofort klar, wenn man sich vor Augen hält, worum es im § 74 AWG 2002 geht, nämlich nicht (primär) um die Kosten, sondern um die Erteilung eines Behandlungsauftrages. Ein solcher aber kann nicht aliquotiert werden.\ \ Schließlich bleibt noch zu prüfen, ob der Beschwerdeführer von der Ablagerung Kenntnis hatte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit haben musste.\ \ Der Betrieb einer Tankstelle stellt eine gefahrgeneigte Tätigkeit dar. Den Erwerber einer Liegenschaft, auf der sich ein solches Betriebsobjekt, bei dem die Herbeiführung von Umweltgefährdungen naheliegt, befindet, treffen Erkundigungsverpflichtungen (vgl. Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, 1995, 127). Der Beschwerdeführer hat nie behauptet, dass er solchen Pflichten nachgekommen wäre. Dies wäre für ihn umso leichter möglich gewesen, da er – nach seinen eigenen Angaben in einer Vernehmung vor dem Magistrat der Stadt Wien am 10. April 2006 – seit 1962 auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft wohnt. Die anlässlich dieser Vernehmung getätigte Aussage, wonach ‚uns nie bekannt‘ gewesen sei, ‚dass es Kontaminationen auf dem Grundstück gab … Es war nie ein Thema in der Familie.‘ steht im Widerspruch zur Aussage von HH in ihrer Vernehmung vor dem Magistrat der Stadt Wien vom selben Tag, wonach sie gehört habe, dass es ‚auf dem Grundstück Kontaminationen gibt. Da war die Tankstelle schon geschlossen‘.\ \ Nach den insoweit unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde in ihrem angefochtenen Bescheid war die Tankstelle schon seit Anfang 2002 – also lange vor dem Eigentumserwerb weiterer Anteile der Liegenschaft durch den Beschwerdeführer im Jahre 2006 – stillgelegt worden.\ \ Die belangte Behörde konnte daher in schlüssiger Beweiswürdigung davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls im Zeitpunkt seines Eigentumserwerbes im Jahre 2006 von den Verunreinigungen Kenntnis haben musste.„\ \ Im Endeffekt hat der VwGH damit ausgesprochen, was ohnehin im Gesetz steht: Gibt es einen Verpflichteten, der Verursacher einer Kontamination ist, haftet dieser. Gibt es einen solchen nicht, dann haftet nicht der Rechtsnachfolger des Verpflichteten, da dies im Gesetz schlicht nicht vorgesehen ist. Hier bietet aber § 74 AWG 2002 Abhilfe, der als Zweiten in der Haftungskette den Liegenschaftseigentümer kennt, als Dritten (und auch weitere) dessen (deren) Rechtsnachfolger. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung können sich letztere auch nicht darauf berufen, dass sie nur im Ausmaß des aus der Gestattung der die Ablagerung bedingenden Anlagen resultierenden Vorteils haften, sondern eben vollumfänglich.\ \ Dies ist aus zwei Gründen konsequent, richtig und begrüßenswert: Zum einen wird – was in der heutigen Zeit schon fast selten geworden ist – dem Gesetzeswortlaut bedingungslos der Vorrang vor allfälligen anderen Auslegungen eingeräumt (was im Übrigen sowieso nicht in Zweifel zu ziehen ist; grundlegend mit zahlreichen Judiakturverweisen Adamovic/Funk, Allgemeines Ver-waltungsrecht, 3. Auflage, 59; ebenso Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S 101ff). Zum anderen unterstreicht das vorliegende Erkenntnis das vom Gesetzgeber intendierte System: Trifft dieser eine bewusste Entscheidung, den Liegenschaftseigentümer oder sein Rechtsnachfolger für die Beseitigung von Kontaminationen haften zu lassen, wenn der Verursacher nicht herangezogen werden kann, ist es nur konsequent, dies auch umzusetzen.\ \ Fragwürdig bleibt für mich bei dieser Entscheidung aber zweierlei: Kann es für den noch vorhandenen Verursacher (= Verpflichteten) tatsächlich so einfach sein, sich durch einen gesellschaftsrechtlich möglichen Umwandlungs-, Umgründungs- oder Spaltungsvorgang gleichsam aus der Haftung zu stehlen? Und: Hat der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt, den Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers umfangreicher, nämlich nicht auf den erlangten Vorteil beschränkt, in die Haftung zu nehmen, als den Liegenschaftseigentümer selbst?\ \ Am Ende eines Hollywoodfilms würde nun wohl „and the story continues“ zu lesen sein. Wir dürfen daher mit Spannung die nächsten Entscheidungen zur Liegenschaftseigentümerhaftung erwarten. Auch wenn es sich der Gerichtshof ausdrücklich vorbehalten hat, wird mit dem vorliegenden Erkenntnis aber wohl auch der Weg im Anwendungsbereich von § 31 und § 138 WRG vorgezeichnet sein …

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