Der EGMR hat ein wegweisendes Urteil gefällt: Die Schweiz verletzt die Menschenrechtskonvention wegen unzureichender klimapolitischer
Maßnahmen.
Vier Seniorinnen und ein Verein, in dem sich die Seniorinnen zum Zwecke des Klimaschutzes organisiert haben, haben eine Beschwerde gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Klimapolitik der Schweiz eingebracht. Die große Kammer des EGMR bestätigte in der Rechtssache Verein KlimaSeniorinnen eine Verletzung der EMRK:
• Der Klimawandel ist ein durch den Menschen verursachtes, globales Phänomen, das menschenrechtliche Dimension aufweist und insoweit auch die Konventionsstaaten verpflichtet.
• Die Schweiz verletzt das Recht auf Privat- und Familienleben (Art 8 EMRK), weil sie ihren positiven Schutzpflichten im Bezug auf den Klimawandel nur unzureichend nachkommt.
• Dies insbesondere durch das Unterlassen der Festlegung von CO2-Budgets und Reduktionspfaden sowie der Nichterreichung bisheriger Einsparungsziele. Die Schweiz sei verpflichtet, taugliche Maßnahmen vorzusehen um in den kommenden ca. 30 Jahren Klimaneutralität herzustellen.
• Der Gerichtshof hat die Klagelegitimation der Klimaseniorinnen selbst zwar mangels Opferstatus verneint, jene des Vereins aber bejaht. Die Schweiz verletze auch insoweit die EMRK, weil sie Vereinen keine Möglichkeit bietet, gegen unzureichenden Klimaschutz
vorzugehen.
Die Entscheidung hat Ausstrahlwirkung auf ganz Europa und darüber hinaus: Als Auslegung der EMRK hat das Urteil Bedeutung in allen Vertragsstaaten des Europarats und dürfte in diese Jurisdiktionen direkt oder über den Weg der Gerichte die nationale Klimapolitik
beeinflussen. Damit steigen auch die Chancen, dass der VfGH eine „Klimaklage“ in Bälde auch in der Sache entscheidet. Zudem ist auch ein Verfahren gegen Österreich beim EGMR anhängig. Hier hat zwar eine Privatperson und kein Verein geklagt, aufgrund einer
Erkrankung ist der Kläger aber in besonderem Maße vom Klimawandel betroffen, sodass – zieht man die Wertungen des EGMR in der Rechtssache Verein KlimaSeniorinnen heran – der erforderliche Opferstatus vorliegen könnte.
Tipp: Für eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Fall siehe den Blogbeitrag von Lea Vouk.