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Peter Sander

EuGH äußert sich (schon) und VwGH (eher nicht) zur UVP-Relevanz von Trassenaufhieben bei Stromleitun

Freud und Leid können oft recht knapp beieinander liegen. Seit einiger Zeit ist in Umweltrechtskreisen umstritten, ob sogenannte Trassenaufhiebe UVP-rechtlich relevant sind, weil der Rodungstatbestand des Anhang 1 Z 46 des UVP-Gesetzes angesprochen sein könnte.

Die Projektwerber für Stromfreileitungsprojekte in Kärnten und in Oberösterreich hatten dies mit guten Argumenten verneint: Während des Betriebs der Leitung müssten auf der Gesamtfläche immer wieder hiebsunreife Hochwaldbestände gefällt werden. Alle Fällungen hiebsunreifer Bestände erfolgten ausschließlich, um den Sicherheitsabstand der Leitung zum Baumbestand zu sichern. Zu keiner Zeit bei Errichtung oder Betrieb werde der Waldboden zu waldfremden Zwecken genutzt.

Zwar werde zu Zwecken der Leitungserrichtung und während des Betriebs der Leitung forstlicher Bewuchs geschlägert. Dies führe jedoch nicht zu einer Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur. Es sei auch nicht ersichtlich, dass im Zuge des Vorhabens Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart gemäß Z 1 lit d des Anhanges II der UVP­Richtlinie erfolgten, und zwar auch nicht in vorübergehender Art und Weise. Es ändere sich zwar die Waldzusammensetzung und -­bewirtschaftung, dies spiele jedoch für die Qualifikation als Wald bzw. für die Frage, ob eine Rodung oder eine Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart stattfinde, keine Rolle.

Sowohl der österreichische VwGH als auch der EuGH hatten im Kern die selbe Frage zu klären, nämlich ob unter der oben skizzierten Prämisse tatsächlich keine UVP-rechtlich relevanten Rodungen vorliegen würden. Die Lösungswege könnten unterschiedlicher nicht ausgefallen sein:

Der VwGH näherte sich der Sache formaljuristisch und führte unter ausführlichem Hinweis auf die Historie der Causa im Kern begründend aus, dass das Bundesverwaltungsgericht dazu mit einem unbekämpft gebliebenen Beschluss aus dem Jahr 2015 die – sowohl die Kärntner Landesregierung, als auch das Bundesverwaltungsgericht und letztlich auch den Verwaltungsgerichtshof bindende – Rechtsansicht vertreten hatte, dass eine solche Einbeziehung nicht zu erfolgen habe (mit besagtem Beschluss wurde die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die UVP-Behörde zurückverwiesen). Diese rechtliche Beurteilung konnte daher im gegenständlichen Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden. Kurz gefasst: Die nunmehrigen Revisionen scheiterten an der formelrechtlichen Zulässigkeit des Verfahrensregimes. Einzig eine Randbemerkung, dass die Stellung des Umweltanwalts im Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs 7 UVP­G 2000 die einer Formalpartei ist, der die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof lediglich dann offensteht, wenn sie dort die Verletzung ihrer prozessualen Rechte (die für sie subjektive Rechte darstellen) geltend macht und daher gegenständlich der Kärntner Naturschutzbeirat als Umweltanwalt auch nicht als Mitbeteiligter im Revisionsverfahren auftreten konnte, mag im Sinne einer Absicherung bestehender Rechtssprechung einen inhaltlichen Mehrwert bieten. Die Entscheidung (Ra 2016/04/0118) datiert übrigens vom 29.06.2017.

Annähernd ein Jahr später hat sich nun der EuGH der ganzen Angelegenheit inhaltlich genähert und mit Urteil vom 07.08.2018 (C‑329/17) im Wesentlichen festgestellt, dass Trassenaufhiebe sehr wohl UVP-rechtlich relevant sind – und dies mit knapper aber umso eindeutigeren Begründung:

  1. Es handelt sich bei den in diesem Anhang zur UVP-Richtlinie enthaltenen Begriffen um autonom auszulegende Begriffe des Unionsrechts (unter Verweis auf sein Urteil vom 25.07.2008, Rs C‑142/07, Ecologistas en Acción-CODA, Rn. 29).

  2. Aus dem Wortlaut von Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie („Erstaufforstungen und Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“) folgt, dass er nicht alle Abholzungen betrifft, sondern nur solche, die dazu dienen, die betreffenden Böden einer neuen Nutzung zuzuführen.

  3. Da durch einen Trassenaufhieb wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Errichtung und die Bewirtschaftung einer Freileitung zur Übertragung elektrischer Energie ermöglicht werden sollen, werden die betreffenden Böden einer neuen Nutzung zugeführt.

  4. Diese Auslegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der österreichische Gesetzgeber mit der Genehmigung solcher Trassenaufhiebe das Ziel der Walderhaltung verfolgt haben soll.

  5. Im Übrigen sei – wieder unter Verweis auf Vorjudikatur – die UVP-Richtlinie ohnehin großzügig auszulegen.

Ergo: Trassenaufhiebe in der bislang gelebten österreichischen Vollzugspraxis sind als Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart einzustufen. Vor dem Hintergrund wäre wohl auch das oben geschilderte, rein innerstaatlich abgehandelte Verfahren wohl (vom Bundesverwaltungsgericht bereits) anders zu entscheiden gewesen. Der Vorlageantrag an den EuGH in der Rechtssache C‑329/17 formulierte übrigens der VwGH am 19.05.2017, also rund eineinhalb Monate vor der oben geschilderten – stark formalistischen – Entscheidung …

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