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Peter Sander

EuGH zur Nachsorgeverpflichtung – Verursacherprinzip

Im Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache C-15/19 hat sich der EuGH mit Urteil vom 14.5.2020 im Speziellen zu einer römischen Deponie, im Allgemeinen zum Verursacherprinzip und zur Kostentragung der Ablagerung von Abfällen geäußert. Im Ausgangssachverhalt hat sich die A.m.a., ein Unternehmen der Stadt Rom, ihrer Verpflichtung zum Betrieb der Deponie Malagrotta im Rahmen einer privatrechtlichen Vereinbarung entledigt. Ein privates Unternehmen sollte dort diese Deponie betreiben, auf der im Wesentlichen der gesamte Abfall der Stadt Rom abgelagert wurde. Aufgrund einer Änderung der Deponie- RL wurde dann die A.m.a verpflichtet, entgegen dem ursprünglichen Zeitraum von zehn Jahren nunmehr für einen Zeitraum von 30 Jahren für die Kosten der Nachsorge für die Deponie Malagrotta aufzukommen. Dieses Privatunternehmen ließ sich dies nicht gefallen und erwirkte einen Schiedsspruch gegen die A.m.a, womit im Wesentlichen die Kostentragung auf die der Stadt Rom gehörendende Gesellschaft abgewälzt wurde. Diese legte prompt Berufung ein, das dagegen angerufene Gericht bestätigte zwar den Schiedsspruch, doch das Berufungsgericht Rom, welches im Rahmen einer Kastrationsbeschwerde angerufen wurde, legte die Sache nun zur Vorabentscheidung dem EuGH vor, da fraglich war, ob die Verpflichtung zur Kostentragung durch die A.m.a überhaupt mit dem Unionsrecht vereinbar wäre.

Der EuGH hat dazu nun ein Urteil erlassen, in welchem es rechtlich darum ging, ob die Art 10 und 14 der RL 1999/31 dahingehend auszulegen sind, dass sie der Auslegung einer innerstaatlichen Vorschrift dahin, dass für eine Deponie, die zum Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie bereits im Betrieb war, die Verpflichtungen aus der Richtlinie, insbesondere eine Verlängerung der Nachsorgephase, gelten, ohne dass nach dem Zeitpunkt der Ablagerung der Abfälle differenziert werden müsste und ohne dass Maßnahmen zur Begrenzung der finanziellen Auswirkungen der Verlängerung der Nachsorgephase von zehn auf 30 Jahre vorgesehen werden müssten, entgegenstehen.

Nach Ansicht des EuGHs ergibt sich aus dem 25. Erwägungsgrund der Deponie-RL, dass die Bestimmungen über das Stilllegungsverfahren, welches eben nachträglich geändert wurde, nicht für Deponien gelten, die vor dem Termin für die Umsetzung der Richtlinie stillgelegt wurden. Dies trifft jedoch auf die Deponie Malagrotta nachgerade nicht zu. Die Richtlinienvorschriften sind daher auf diese Deponie anzuwenden. Und der EuGH weiter: Nach der Stilllegung einer Deponie hat der Betreiber die Wartungsarbeiten, die Mess- und Überwachungsmaßnahmen während der Nachsorgerphase also so lange durchzuführen, wie es die zuständige Behörde unter Berücksichtigung des Zeitraums verlangt, in dem von der Deponie Gefährdungen ausgehen können. Diese Gefährdungen hat der EuGH im Bereich des Boden- und Grundwasserschutzes verortet und – unter Berufung auf seine Vorjudikatur – auch erneut festgestellt, dass die entsprechenden Maßnahmen zum Schutze dieser Umweltschutzgüter eben nicht nur für zehn, sondern eben für 30 Jahre gelten.

Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen hält der EuGH fest, dass die Mitgliedsstaaten sicherzustellen haben, dass alle Kosten für die Errichtung und den Betrieb einer Abfalldeponie abgedeckt sind. Ob sie dies nun durch eine Abgabe, eine Gebühr oder in anderer Weise tun sei den Mitgliedsstatten überlassen. Jedenfalls unzulässig ist es aber, den Betreiber mit den Kosten zu belasten, da eben der Betreiber die Abfälle nicht erzeugt hat. Er ist für die Beseitigung der Abfälle lediglich im Rahmen seiner Tätigkeit als Dienstleistungserbringer (also im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen mit der A.m.a., also der Stadt Rom, verantwortlich). Eine solche Auslegung steht nämlich im Einklang mit der sich aus dem Verursacherprinzip ergebenden Verpflichtung, nachträgliche Auswirkungen auf die Umwelt weitest möglich zu vermeiden oder zu vermindern (der EuGH folgt hier der Generalanwältin).

Als Succus ist daher festzuhalten, dass nach Ansicht des Gerichtshofs die Deponie-RL nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Mitgliedsstaat verpflichtet wäre, Maßnahmen zu treffen, um die finanziellen Auswirkungen einer Verlängerung der Nachsorgephase für den Besitzer der Abfälle zu begrenzen, sondern letztlich für eben genau diese finanziellen Aufwendungen aufzukommen hat. Dies gilt auch dann, wenn sich diese finanziellen Aufwendungen auf einen Zeitpunkt beziehen, zu welchem die Abfälle entstanden sind, da dies alles Auswirkungen auf die künftigen unter einem alten Recht (vor Novellierung der Deponierichtlinie) entstandenen Rechtsposition haben könnte. Die geschätzten Kosten für die Nachsorge iS des Abs. 10 der Richtlinie 1999/31 müssen daher tatsächlich mit den Auswirkungen zusammenhängen, die in einer bestimmten Deponie abgelagerten Abfälle auf die Umwelt haben können (was letztlich das vorlegende Gericht zu beantworten haben wird). Sie umfassen dabei auch die dem Besitzer bereits entstandenen Kosten und die geschätzten Kosten der vom Betreiber zu erbringenden Dienstleistungen. Der EuGH hält demzufolge also fest, dass tatsächlich sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Nachsorge für die Deponie Malagrotta – ungeachtet allfällige zivilrechtliche Vereinbarungen – von dem Mitgliedsstaat Italien (hier durch die Kommune Rom) zu tragen sind.

Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeit, um zu wissen wie nun das Kassationsgericht entscheiden wird: Rom wird – Vertrag hin, Vertrag her – die Kosten für die Nachsorge hinsichtlich der Deponie Malagrotta zu tragen haben.

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