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Peter Sander

EuGH zu Kraftwerk Temelin

Dem LG Linz lag eine vorbeugende nachbarrechtliche Unterlassungsklage des Landes Oberösterreich (als Eigentümer einer Mühlviertler Liegenschaft) gegen die Betreiberin des Atomkraftwerks Temelin zu Grunde. Zu beurteilen war insb, ob im Rahmen des § 364a ABGB (der nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche gegen Immissionen, die von einer behördlich genehmigten Anlage ausgehen, ausschließt) auf die in Tschechien erteilte Anlagengenehmigung Rücksicht zu nehmen ist.\ \ In einem Parallelverfahren (betreffend das slowakische Atomkraftwerk Mochovce) hatte der OGH entschieden, dass ein ausländisches Atomkraftwerk schon deshalb nicht als behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB qualifiziert werden kann, weil es in Österreich von vornherein nicht genehmigungsfähig wäre (1 Ob 5/06a = Zak 2006/355, 211). Das LG Linz hatte Zweifel, ob diese Auslegung gemeinschaftsrechtskonform ist, und legte diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.\ \ Der EuGH hat mit Urteil vom 27. 10. 2009, C-115/08 (Land Oberösterreich/CEZ) ausgesprochen, dass das in Art 12 EG festgelegte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ein Grundprinzip der Gemeinschaft darstelle, das auch im Anwendungsbereich des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV) gilt. Ferner konstatierte der Gerichtshof, dass die Auslegung, dass es sich bei einem ausländischen Atomkraftwerk schon mangels Genehmigungsfähigkeit im Inland nicht um eine behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB handelt, gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verstoße. Die in der Nichtberücksichtigung der ausländischen Anlagengenehmigung liegende Ungleichbehandlung kann nicht mit dem Schutz des Lebens, der Gesundheit, der Umwelt oder des Eigentumsrechts gerechtfertigt werden, weil dieser Schutz nach dem EAGV von der Gemeinschaft und dem Betreiberstaat des Atomkraftwerks zu gewährleisten ist. Dem Diskriminierungsverbot kommt gegenüber dem nationalen Recht Anwendungsvorrang zu.\ \ Anm: Für das Folgeverfahren bedeutet das, dass das LG Linz aufgrund der Bindungswirkung des Vorabentscheidungsurteils (Art 10 Abs 1, 234 Abs 1 EG) die ausländische Betriebsgenehmigung anzuerkennen hat. Es ist daher von einer „behördlich genehmigten Anlage“ iSd § 364a ABGB auszugehen. Offen blieb im Vorabentscheidungsverfahren letztlich, ob von der Anwendung des § 364a ABGB – wie es auch bei inländischen Anlagen der Fall wäre – mit der Begründung abgesehen werden kann, dass den betroffenen österreichischen Grundeigentümern im Genehmigungsverfahren kein rechtliches Gehör gewährt worden ist.

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