EuGH 16. 2. 2012, Rs C-182/10 (Solvay ua) hat in einem Urteil zu einem Vorabentscheidungsersuchen des belgischen Verfassungsgerichtshofes wesentliche Aussagen an der Schnittstelle Aarhus-Konvention und UVP-RL 85/337 (idF 2003/35) getroffen. Im Anlassfall ging es ua um umweltrelevante Hochleistungsstrecken und Bauten an einem Flughafen.\ \ Der GH stellte fest:\ \ 1. Zwar kann für die Auslegung von Art. 2 Nr. 2 und Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das am 25. Juni 1998 unterzeichnet und durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (Aarhus), der Leitfaden zur Anwendung dieses Übereinkommens herangezogen werden, dieser ist aber nicht bindend und hat nicht die normative Geltung, die den Vorschriften dieses Übereinkommens zukommt.\ \ 2. Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass von ihrem jeweiligen Geltungsbereich nur Projekte ausgeschlossen sind, die im Einzelnen durch einen besonderen Gesetzgebungsakt genehmigt worden sind, so dass die Ziele dieser Bestimmungen durch das Gesetzgebungsverfahren erreicht worden sind. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung sowohl des Inhalts des erlassenen Gesetzgebungsakts als auch des gesamten Gesetzgebungsverfahrens, das zu seinem Erlass geführt hat, und insbesondere der vorbereitenden Arbeiten und der parlamentarischen Debatten zu prüfen, ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt worden sind. In diesem Zusammenhang kann ein Gesetzgebungsakt, mit dem lediglich ein bereits erlassener Verwaltungsakt „ratifiziert“ wird und der sich darauf beschränkt, zwingende Gründe des Allgemeininteresses anzuführen, ohne dass zuvor ein die Sachfragen betreffendes Gesetzgebungsverfahren durchgeführt wird, das es erlaubt, diese Voraussetzungen zu erfüllen, nicht als besonderer Gesetzgebungsakt im Sinne dieser Bestimmung betrachtet werden und genügt daher nicht, um ein Projekt vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens und dieser Richtlinie in ihrer geänderten Fassung auszuschließen.\ \ 3. Art. 3 Abs. 9 und Art. 9 Abs. 2 bis 4 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und Art. 10a der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass,\ \ – wenn ein Projekt, das in den Geltungsbereich dieser Bestimmungen fällt, durch einen Gesetzgebungsakt genehmigt worden ist, die Frage, ob dieser Gesetzgebungsakt die in Art. 1 Abs. 5 dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen erfüllt, nach den nationalen Verfahrensvorschriften einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle vorgelegt werden können muss;\ \ – falls gegen eine solche Maßnahme kein Rechtsbehelf von der Art und dem Umfang, wie sie vorstehend dargestellt worden sind, eröffnet ist, es jedem nationalen Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit befasst wird, obliegt, die im vorhergehenden Gedankenstrich beschriebene Prüfung durchzuführen und gegebenenfalls die Konsequenzen daraus zu ziehen, indem es diesen Gesetzgebungsakt unangewandt lässt.\ \ 4. Art. 6 Abs. 9 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie nicht verlangen, dass die Entscheidung selbst die Gründe enthält, aus denen die zuständige Stelle entschieden hat, dass sie notwendig ist. Falls jedoch ein Betroffener dies beantragt, ist die zuständige Stelle verpflichtet, ihm die Gründe mitzuteilen, aus denen die Entscheidung getroffen worden ist, oder ihm die maßgeblichen Informationen und Unterlagen in Beantwortung des gestellten Antrags zur Verfügung zu stellen.\ \ 5. Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist dahin auszulegen, dass er es einer nationalen Behörde – auch wenn es sich um ein gesetzgebendes Organ handelt – nicht erlaubt, Pläne oder Projekte zu genehmigen, ohne sich vergewissert zu haben, dass sie das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigen werden.\ \ 6. Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass die Verwirklichung einer Infrastruktur zur Unterbringung eines Verwaltungszentrums grundsätzlich nicht als ein zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, der geeignet wäre, die Verwirklichung von Plänen oder Projekten zu rechtfertigen, die das betreffende Gebiet als solches beeinträchtigen.\ \ Die Frage der möglichen unmittelbaren Anwendbarkeit des Aarhus-Übereinkommens war nicht Gegenstand des Urteils.
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