1. Bürgerinitiative – unterstützende Stellungnahme (VwGH 24. 6. 2009, 2007/05/0111)\ \ Im ersten Erk nahm der Gerichtshof zur Reichweite des § 19 Abs 4 UVP-G 2000 (idF vor der UVP-G-Nov 2009) Stellung (das Erk kann jedoch auch für die Auslegung der neuen Rechtslage herangezogen werden). Im vorliegenden Fall erfüllte die beschwerdeführende Partei (eine BI) nach Ansicht des VwGH die gesetzlichen Voraussetzungen des § 19 Abs 4 UVP-G 2000 nicht: Die vorgelegten Akten des erstinstanzlichen Verfahrens enthalten eine 24 Seiten umfassende „Stellungnahme“ mit dem Titel „Bürgerinitiative K gegen die 380 kV-Steiermarkleitung im UVP-Verfahren“, datiert mit „27. 6. 2004“, mit dem Eingangsstempel des Amtes der Stmk LReg vom 28. 6. 2004. Diese „Stellungnahme“ ist durch lediglich 6 Personen „im Namen aller nachfolgenden Unterzeichner“ unterzeichnet. Gleichzeitig wurden 85 durchnummerierte Blätter vorgelegt, die jeweils die Überschrift „Bürgerinitiative K gegen die 380 kV-Steiermarkleitung im UVP-Verfahren“ tragen und jeweils bis zu 10 handschriftliche Eintragungen in den vorgedruckten Spalten „Name“, „Geb.Datum“, „Adresse“ und „Unterschrift“ enthalten. Die weiters vorgedruckte Spalte „lfd. Nr.“ wurde immer freigelassen. Schon aus der Formulierung des § 19 Abs 4 UVP-G 2000 ergibt sich nach Ansicht des VwGH, dass von einer von mindestens 200 Personen unterstützten Stellungnahme nur dann gesprochen werden kann, wenn der Text der Stellungnahme vor Abgabe einer Unterstützungserklärung seitens einer solchen Person bereits vorliegt (was im vorliegenden Fall nicht gegeben war). Daher war die Beschwerde zurückzuweisen.\ \ 2. „Maßnahmen in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang“ iSd § 2 Abs 2 erster Satz UVP-G 2000 (VwGH 1. 7. 2009, 2005/04/0269)\ \ Im zweiten Erk hat sich der VwGH aufgrund einer Beschwerde einer Standortgemeinde zu § 2 Abs 2 Satz 1 UVP-G 2000, dh zur Begriffswortfolge „Maßnahmen, die in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit einem UVP-pflichtigen Vorhaben stehen, geäußert. Im gegenständlichen Fall ging es um einen Salzburger Gesteinsabbbau iSd Anhang I Z 26 UVP-G 2000, für das bereits 2004 festgestellt worden war, dass keine UVP-Pflicht bestehe. Gemäß ursprünglichen Vorhabenskonzept sollte der Abtransport des Gesteins mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen, nach zwischenzeitlich geänderten Konzept mit LKW. Die bloße Adaptierung des Abtransports des im Vorhaben abgebauten Gesteins (LKW statt Schiene) stellte nach Ansicht des VwGH keine relevante Projektänderung dar. Problematisch ist jedoch, wenn der VwGH en passent ausführt, dass der Fahrzeugverkehr auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nach der Rsp grundsätzlich kein der Betriebsanlage zuzurechnendes Geschehen darstelle und daher im Genehmigungsverfahren nicht zu berücksichtigen sei (diesbezüglich – methodisch fragwürdig – stützt sich der Gerichtshof auf die Rsp des VwGH zu §§ 74, 77 GewO und zitiert Schrifttum falsch).\ \ Gemäß § 2 Abs 2 erster Satz UVP-G 2000 ist „Vorhaben“ die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehender Maßnahmen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Tatbeständen des § 2 Abs 2 erster Satz UVP-G 2000 („Anlage“ und „Eingriff …“) leitet sich der dritte Tatbestand des § 2 Abs 2 erster Satz UVP-G 2000 („Maßnahmen in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang“) nicht – wie der Gerichtshof zutreffend feststellt – aus dem Gemeinschaftsrecht ab. Dennoch ist die Annahme des Gerichtshofes, dass dieser Begriff stattdessen im Sinne des österreichischen Anlagenrechts bzw der Judikatur des VwGH zum gewerblichen Betriebsanlagenrecht auszulegen sei, kritisch zu würdigen.\ \ Die beiläufig geäußerte Ansicht, dass der dem Vorhaben zuzurechnende Verkehr keine UVP-relevante Maßnahme iSd § 2 Abs 2 UVP-G darstelle, ist abzulehnen. Der extensiv zu interpretierende Vorhabensbegriff des UVP-G 2000 umfasst das gesamte zu verwirklichende Projekt, das auch alle damit in sachlichem und räumlichem Zusammenhang stehende umweltrelevante Maßnahmen miteinschließt. Auch mobile Anlagen und Einrichtungen wie etwa ortsveränderliche Abfallbehandlungsanlagen können daher unter den weiten Begriff des Vorhabens fallen, wenn sich aus der Art und Dauer ihres Einsatzes ergibt, dass sie nicht bloß unerhebliche Umweltauswirkungen verursachen. Gegenstand des einheitlichen UVP-Verfahrens sind daher sämtliche mit dem Vorhaben in sachlichem oder örtlichem Zusammenhang stehende Eingriffe, auch wenn nur ein Teil des Vorhabens die UVP-Pflicht gemäß Anhang 1 auslöst (vgl schon US 5. 3. 2001, 7/2001/1-13 [Hohenau]; US 2. 3. 2001, 3/2000/5-39 [Ort/Innkreis]). Der Grundsatz der Einheit der Anlage gilt im UVP-Regime somit – anders als dies der VwGH im angesprochenen Erk vertritt – in weiterem Umfang als im sonstigen Anlagenrecht. Entscheidend ist bei der Beurteilung eben, ob verschiedene Maßnahmen (unter Beachtung des konkreten Vorhabenstyps und des eingereichten Projektes) mit dem Vorhaben a) in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Zu prüfen ist, ob es durch verschiedenen Eingriffe zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen der Eingriffe im Sinne kumulativer und additiver Effekte kommen kann. Der US verfolgt dabei – zu Recht und iS der UVP-RL zielführend – eine großzügige Linie. b) Darüber hinaus ist zu prüfen, ob Vorhaben und Maßnahmen in einem sachlichen Zusammenhang zu einander stehen. Die Rsp stellt darauf ab, ob diese durch einen gemeinsamen Betriebszweck verbunden sind, wobei diesbezüglich der klar deklarierte Wille des Projektwerbers zu beachten ist (US 4. 7. 2004, 5B/2001/1-20 [Ansfelden II]). Ein gemeinsamer Betriebszweck wird dann angenommen, wenn ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zur Erreichung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Ziels vorliegt. Maßgebliche Kriterien dafür sind zum einen die Struktur und Organisation der Betriebe (gemeinsame Dispositionsbefugnis, einheitliches Verkehrskonzept, gemeinsamer Betrieb nach einem wirtschaftlichen Gesamtkonzept; vgl VwGH 7. 9. 2004, 2003/05/0218, 0219, VwGH 29. 3. 2006,\ 2004/04/0129).\ \ Auch der EuGH hielt im Urteil 25.7.2008, C 142/07 fest, dass es dem Zweck der UVP zuwider liefe, wenn im Rahmen der UVP „nur die unmittelbaren Wirkungen der geplanten Arbeiten selbst im Rechnung gestellt würden, nicht aber die Auswirkungen auf die Umwelt, die durch die Benutzung und den Betrieb der durch diese Arbeiten entstandenen Anlagen.“\ \ Reduziert man das VwGH-Erkenntnis auf das Wesentliche, wird man darauf abzustellen haben, dass Bergbauvorhaben iSd Z 26 des Anhangs 1 UVP-G 2000 (Bergbau) nicht durch die Art des von ihm ausgelösten Verkehrs bestimmt wird. Jede andere Deutung – dass der vom Vorhaben verursachte Verkehr auf öffentlichen Straßen bei der Projektsbeurteilung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben hat – ist nicht mit der UVP-RL in Einklang zu bringen. Zu beachten ist, dass das UVP-G 2000 (aufgrund der Vorgaben der UVP-RL) zahlreiche Vorhabenstypen erfasst, die so gut wie keine eigenen Emissionen verursachen, sondern ihre Hauptauswirkungen gerade im durch das Vorhaben verursachten Verkehr bestehen (so etwa Einkaufszentren, Feriendörfer und Hotelkomplexe, Freizeitparks und Parkplätze; siehe schon Ennöckl, RdU 2009/6 Urteilanmerkung im Erscheinen). Das Gebot, den von Vorhaben ausgehenden Verkehr bei der Genehmigung unbeachtet zu lassen, würde insbesondere bei diesen Projekttypen zu einer völligen Entwertung der UVP und ihres Zweckes führen.
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