Der VwGH hat sich kürzlich in einer bemerkenswerten Entscheidung (AW 2010/06/0001) zum Verhältnis zwischen UVP-G und § 30 VwGG auf der einen und der Aarhus-Konvention auf der anderen Seite geäußert:\ \ Anlass für den Beschluss bot der durch insgesamt fünf am zugrunde liegenden UVP-Verfahren als Parteien beteiligte Beschwerdeführer (Bf) gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs 2 VwGG. In der Sache wendeten sie sich gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), mit dem der ASFINAG gemäß den Bestimmungen des UVP-G die Genehmigung für das Bundesstraßenvorhaben A 5 Nord-Autobahn, Abschnitt Schick-Poysbrunn, erteilt wurde und die Einwendungen der nunmehr vor dem VwGH beschwerdeführenden Parteien als unzulässig zurück- bzw als unbegründet abgewiesen wurden.\ \ Ihren Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begründeten die Bf insbesondere damit, dass durch den angefochtenen Bescheid den Umweltinteressen, die sie wahrzunehmen berechtigt seien, ein unverhältnismäßiger Nachteil drohe. Dieser Nachteil wäre de facto irreversibel, da ein um etwa 635 Millionen Euro errichteter Straßenabschnitt aus wirtschaftlichen und politischen Gründen faktisch nicht mehr abgetragen werden könne. Österreich sei insbesondere völker- und unionsrechtlich verpflichtet, diese Nachteile abzuwenden. Die Aarhus-Konvention der UN-ECE (Übereinkommen zu Information, Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, BGBl III 2005/88) regle ua die Rechte der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen von UVP-Verfahren im Hinblick auf die Verfahrensbeteiligung und den Rechtsschutz. Österreich habe ua Art 9 Abs 2 bis 4 der Konvention durch die UVP-G-Novelle 2004 (BGBl I 2004/153) in Befolgung der EG-Richtlinie 2003/35/EG umgesetzt. Österreich sei durch den EG-Vertrag dazu verpflichtet, die Aarhus-Konvention rechtskonform umzusetzen und anzuwenden, weil die EG selbst Vertragspartei sei; die UVP-RL, in die diese Aspekte der Konvention integriert worden seien, setze diese aber unvollständig um.\ \ Nach dem Wortlaut des Art 9 Abs 4 erster Satz der Konvention seien die Mitgliedstaaten nämlich verpflichtet, in den Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicherzustellen; diese Verfahren seien fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Demgegenüber regle Art 10a UVP-RL idF RL 2003/35/EG, dass die betreffenden Verfahren fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt werden. Der Verweis auf den angemessenen, effektiven und vorläufigen Rechtsschutz fehle.\ \ Der Rechtsschutz im UVP-Verfahren nach dem 3. Abschnitt, betreffend ua Bundesstraßenvorhaben, sei nur dann angemessen und effektiv, wenn die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts diesbezüglichen Beschwerden aufschiebende Wirkung zuerkennen. Da der VwGH im Gegensatz zu den sonstigen UVP-Verfahren nach dem 2. Abschnitt die einzige gerichtliche Überprüfungsinstanz sei, würde durch die Verweigerung der Zuerkennung aufschiebender Wirkung Art 9 Abs 4 iVm Art 10a UVP-RL verletzt. Der Rechtsschutz würde nämlich ins Leere laufen, wenn während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das gegenständliche Straßenprojekt weitgehend verwirklicht werde, da keine realistische Chance auf Rückgängigmachung der Umwelteingriffe mit vertretbarem wirtschaftlichem Aufwand bestünde. In diesem Zusammenhang gelte es auch die Beschlüsse des Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC) zu berücksichtigen: Diesen zufolge sei es nicht ausreichend, dass bestimmte Optionen theoretisch noch möglich seien, sondern maßgeblich, wie sich die Situation tatsächlich darstelle. Wenn es zwar theoretisch noch möglich sei, bestimmte Änderungen durchzuführen, auch wenn ein Vorhaben bereits gebaut worden sei, jedoch der politische und wirtschaftliche Druck im konkreten Fall so groß sei, dass es de facto nicht mehr möglich sei, erhebliche Änderungen vorzunehmen, widerspreche dies den Vorgaben der Konvention hinsichtlich effektiver Verfahrensbeteiligung.\ \ Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei – Konsenswerberin im zugrunde liegenden UVP-Verfahren – führen dagegen aus, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden. Ein öffentliches Interesse an der Errichtung der A 5 Nordautobahn als hochrangiger Verbindung zu Tschechien sei bereits durch die Aufnahme des Infrastrukturprojekts in die Studie betreffend die Gestaltung des Straßennetzes im Donaueuropäischen Raum unter besonderer Beachtung des Wirtschaftsstandortes Österreich (GSD-Studie) sowie durch dessen Einbeziehung in die Transeuropäischen Netze der Europäischen Union dokumentiert.\ Weiters stelle die Abwehr von Lebens- und Gesundheitsgefahren oder von Gefahren und Belästigungen für Verkehrsteilnehmer und Anrainer ein zwingendes öffentliches Interesse an der sofortigen Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit dar; so komme es durch das Projekt zu einer Verminderung der Verkehrsleistung um 30% in der gesamten Region und könne eine Reduktion der Unfälle mit Personenschaden um 36% erreicht werden. Abgesehen davon hätten die Bf es verabsäumt, den unverhältnismäßigen Nachteil, der sich aus dem umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides ergebe, zu konkretisieren, und treffe die Behauptung, das Bauvorhaben sei irreversibel, nicht zu.\ \ Der VwGH hat sich im Ergebnis der Ansicht der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei angeschlossen und den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen: Art 9 Abs 4 erster Satz der Aarhus-Konvention kann nicht dahingehend gedeutet werden, dass im Anwendungsbereich der Konvention der durch den VwGH gewährte Rechtsschutz nur dann angemessen und effektiv sei, wenn der Beschwerde gegen einen nach dem 3. Abschnitt des UVP-G erlassenen Bescheid jedenfalls aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Wenn die innerstaatliche Regelung betreffend die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG einerseits auf das Nichtvorliegen zwingender öffentlicher Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, bzw auf die Vornahme einer Interessenabwägung zwischen den in Frage kommenden öffentlichen Interessen und der auf Seiten der Beschwerdeführer und Mitbeteiligter gegebenen Interessenlage abstellt, steht dies mit Art 9 Abs 4, der nur von angemessenem vorläufigem Rechtsschutz spricht, nicht in Widerspruch.\ \ Indem die Unfallrate betreffend lebensgefährliche bzw schwere Unfälle durch das vorliegende Bauvorhaben um 36% herabgesetzt wird, stehen der Gewährung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zwingende öffentliche Interessen entgegen. Aber selbst wenn man das Vorliegen zwingender öffentlicher Interessen verneinte, muss eine Interessenabwägung der in Frage stehenden öffentlichen Interessen – Schutz des Lebens und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer, wichtige Funktion im Transeuropäischen Straßennetz, Herabsetzung der Immissionsbelastung – gegen andere öffentliche Interessen wie den Schutz der nicht näher konkretisierten Umweltinteressen der Bf zu Gunsten der Ersteren ausfallen.\ Im Übrigen lassen sich die mit dem Bau des Bundesstraßenprojekts verbundenen Eingriffe mit einem gewissen (beträchtlichen) Aufwand zumindest weitgehend rückgängig machen und stehen hinreichend gesetzliche Möglichkeiten zur Verfügung, um im Falle der Bescheidbehebung und damit Konsenswidrigkeit der Maßnahmen deren Beseitigung zu verlangen.\ Es steht auch dem angeführten vorläufigen Rechtsschutz gemäß der Aarhus-Konvention nicht entgegen, wenn innerstaatlich verlangt wird, dass der vom Bf befürchtete Nachteil entsprechend zu konkretisieren ist.\ \ Anmerkung: Der VwGH hat mit diesem Beschluss insbesondere zwei interessante Aspekte angesprochen. Zum einen geht es um die Bewertung des öffentlichen Interesses an der Errichtung einer Autobahn. Die Überzeugungskraft der in eventu vorgenommenen Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen am Infrastrukturprojekt auf der einen und den durch die Bf relevierten Umweltinteressen auf der anderen Seite muss dahingestellt bleiben, da der Entscheidung nicht zu entnehmen ist, welche Umweltinteressen – mögen sie unter Umständen auch nicht dem Konkretisierungsgebot entsprochen haben – ins Treffen geführt wurden. Hervorzuheben ist jedoch, dass der Gerichtshof die Reduktion der Zahl schwerer bzw lebensgefährlicher Unfälle um 36% als zwingendes, nach § 30 Abs 2 VwGG die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls ausschließendes öffentliches Interesse am Autobahnbau namhaft gemacht hat. Schließlich ist mit dem Bau einer jeden Autobahn typischerweise eine signifikante Reduktion der Unfallzahlen gegenüber dem Bundesstraßenverkehr verbunden, was bei steter Bejahung eines diesbezüglichen zwingenden öffentlichen Interesses de facto zu einer Immunisierung aller Autobahnprojekte gegen Anträge auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung führen würde. Es bleibt offen, ob der Gerichtshof seine Auffassung – einschränkend – auf die überdurchschnittlich hohe Unfallschwere auf der bestehenden Bundesstraße stützt oder generell für den Autobahnbau vertritt. Der in der Begründung zur Untermauerung angeführte Verweis auf einen früheren, in anderer Sache ergangenen Beschluss – Gefahr für Gesundheit und Leben der Benützer einer nicht bauvollendeten Schießstätte – legt letzteres nahe.\ \ Zum anderen stellt sich die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art 9 (Abs 4) der Aarhus-Konvention, der sich seinem Wortlaut nach grundsätzlich nur an die Mitgliedstaaten wendet. Aus dem Gesagten lässt sich prima vista schwer abschätzen, ob der VwGH lediglich allgemeine Erwägungen zur Konventionskonformität des Art 10a UVP-RL und zur völker- und unionsrechtskonformen Interpretation des § 30 Abs 2 VwGG geäußert hat oder ob er tatsächlich von einer korrespondierenden subjektiven Berechtigung der Bf aus Art 9 Abs 4 ausgegangen ist. Positiv anzumerken bleibt jedenfalls die eingehende Auseinandersetzung mit der Argumentation der Bf und die maßgebliche Rolle, die er dem Gehalt der Aarhus-Konvention – mag man hier auch anderer Meinung als der Gerichtshof sein – zukommen hat lassen.
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